Bücher, Comics, Emotionen?!

Mein bibliophiler Jahresrückblick

2014 – das ist zwei Jahre nach dem Start dieses Blogs und etwa 24 Jahre, nachdem ich das Lesen gelernt habe. 62 Bücher habe ich mir dieses Jahr zu Gemüte geführt, zwei mehr als im letzten Jahr. 30 Comics, 32 mal Prosa und Lyrik. Das ist für meine Verhältnisse nicht wenig, und somit lohnt es am Jahresende, ein wenig die Spreu vom Weizen zu trennen: Was hat sich gelohnt, was weniger? Was waren die Lese-Highlights des Jahres, egal ob als Prosawerk oder Comic, welche Neuentdeckungen habe ich gemacht, welches Buch war einfach nur schrecklich?

Um bei diesem Jahresrückblick nicht in epische Längen á la „Menschen. Bilder. Emotionen. 2014 mit Günther Jauch“ abzudriften, beschränke ich mich in jeder Kategorie auf die Länge eins Tweets, ergänzt um ein Foto.
Los geht’s!

Prosa

Ganz klar: James Joyces „Ulysses“ macht das Rennen im Bereich Prosa. Dazu ist alles gesagt: Dieses Werk ist eine Bereicherung fürs Leben.

 Ulysseskommentiert

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Dave Eggers – "The Circle": Diktatur aus Glas

Mitte Mai entschied der Europäische Gerichtshof, dass dem Einzelnen ein Recht auf Vergessenwerden zusteht. Niemand muss fürchten, dass falsche Informationen bis ans Ende aller Tage in den digitalen Untiefen der Cloud auffindbar sind. Das Recht auf Vergessenwerden, das auch in einer neuen Datenschutzrichtlinie enthalten sein wird, an der derzeit die EU-Kommission arbeitet, korrespondiert eng mit einem anderen, wichtigeren, sehr viel älteren Menschenrecht: Dem Recht, sich rauszuhalten. Nicht mitzumachen. Zu verschwinden und alleine für sich zu sein. Ganz privat.

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Alex Quick: 99 Gratisideen für ein besseres Leben

Im Frühjahr 2014 ist der Atlantik-Verlag in See gestochen. Das im maritimen Setting gehaltene Imprint von Hoffman und Campe schaffte es sogleich, die Herzen vieler Buchblogger mit einem kleinen Kennenlernpaket zu erfreuen:

Atlantik-Verlag-Paket-texte-und-bilder

Die Jungfernfahrt eines neuen Verlags (belassen wir es mal bei der Illusion, es handele sich um einen eigenen Verlag) zu beobachten, ist spannend. Das Wichtigste dabei ist natürlich das Programm, mit dem der Neuling der Buchbranche in den Kampf zieht. Also schnappte ich mir sogleich den Atlantik-Katalog, denn mir war schnell klar, dass ich zum Start ein Buch besprechen wollte.

Meine Wahl fiel auf Alex Quicks “99 Gratisideen für ein besseres Leben. Vorweg: Ich gehöre nicht, wie viele andere, zu den Ratgeber-Hassern. Es gibt unter der sogenannten Ratgeberliteratur viel Schund, viel seichte oder weniger seichte Küchenpsychologie á la “Wenn Sie unsere einzigartige Denkmethode konsequent einhalten, wird sich Ihr Leben schlagartig komplett verändern”. Es gibt aber auch eine große Zahl an seriösen Sachbüchern, die für bestimmte Themen sensibilisieren und das Leben bereichern. Der Nachteil dieser Bücher ist häufig die schwere Lesbarkeit oder die gähnende Langeweile, die mit der Nacherzählung der 27. psychologischen Studie einhergeht.

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Quicks Werk gehört zu keiner der beiden Kategorien. Schlicht und einfach zählt Quick 99 Möglichkeiten auf, das Leben zu genießen. Dabei wählt er – teils mehr, teils weniger konsequent – vor allem Tätigkeiten, die sofort von jedermann umgesetzt werden können und dazu nichts kosten. Beispiele: “Schauen Sie nach den Sternen!” oder “Schreiben Sie einen Brief an Ihr künftiges Ich!” Das mag trivial klingen. Aber die Wahrheit ist, dass die einfachen, die schönen, die sinnstiftenden Dinge im Leben häufig trivial sind.

Quick verbindet jeden Vorschlag zur simplen Lebensqualitätssteigerung mit einem kurzen erklärenden Text. Dabei werden die Vorschläge immer komplexer und psychologisch durchdachter: Während der erste Vorschlag auf das Sterne-Gucken zielt, empfiehlt Quick später, die Exzentriker des eigenen Wohnviertels zu unterstützen oder Unvollkommenheit und Vergänglichkeit als Ausdruck von Schönheit zu betrachten. Quick geht damit auf leichtfüßige Art ans Eingemachte. Er schafft es, Inhalte und Weisheiten fernöstlicher Denkschulen (“Akzeptieren Sie die ganze Katastrophe”) mit philosophischen Ideen (“Leben Sie die Abgeschiedenheit”) zu verbinden. Dabei erhebt Quick niemals den Zeigefinger, bleibt im sprachlichen Ton immer freundlich-zurückhaltend anstatt oberlehrerhaft. Im Ergebnis stört dann auch überhaupt nicht, dass nicht alle Vorschläge völlig gratis sind. Lohnen werden sie sich allemal.

Meine Lieblingsideen?
”Führen Sie ein Tagebuch – mit nur einem Satz pro Tag!”
”Zeigen Sie aufrichtige Dankbarkeit!”
”Halten Sie die Augen offen, und machen Sie mit!”

Quick erinnert an das, was häufig in Vergessenheit gerät. Das kleine Büchlein liest man mit einem Lächeln an einem Abend durch. Garantiert mit Gewinn: Quicks “99 Ideen” sind ein Kleinod der Lebensfreude.