And the winner is…

24. 24 Bücherfreunde haben an der Aktion “Blogger schenken Lesefreude” teilgenommen – das sind mehr, als ich erwartet habe.

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Soeben habe ich den Gewinner ausgelost und dabei, wie die über jeden Zweifel erhabenen Beweisfotos zeigen, die nur denkbar größtmögliche Fairness walten lassen.

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Lange Rede, kurzer Sinn: Kommen wir zum Gewinner. Genau genommen zur Gewinnerin. Und diese heißt…

Micha!

Herzlichen Glückwunsch!

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Liebe Micha, bitte schreibe mir eine eMail mit deiner Adresse. Eine taufrische Ausgabe von Art Spiegelmans Comic-Meisterwerk “MAUS” wird dann zügigst von mir auf den Weg gebracht.

Die Aktion hat Spaß gemacht und zur weiteren Vernetzung der Literaturblogger beigetragen. Nochmal ein dickes Dankeschön an alle Teilnehmer!

Absurdes und Theater: Zwei Mal Oppenheimer

Welche Bücher eignen sich dazu, miteinander verglichen zu werden? Müssen sie eine besonders große formale oder inhaltliche Nähe aufweisen? Meiner Meinung nach nicht. Meiner Meinung nach sind alle Bücher miteinander vergleichbar, die jedenfalls spontan miteinander assoziierbar sind.

Deshalb werde ich im Folgenden zwei Werke rezensieren, die zwar den gleichen historischen Hintergrund haben, jedoch unterschiedlicher nicht sein könnten: Zum einen Heinar Kipphardts Theaterstück “In der Sache J. Robert Oppenheimer” von 1964, zum anderen die Comicreihe “Manhattan Projects” von Jonathan Hickman und Nick Pitarra von 2012.

Was haben diese beiden Werke gemein? Sie behandeln beide im weitesten Sinne (und, glaubt mir, was die Manhattan Projects von Hickman angeht, im aller-denkbar-weitesten-Sinne, aber dazu sogleich mehr) das Manhattan Projekt, also die Bestrebungen der USA ab 1942, als erste Nation die Atombombe zu realisieren. Die militärische Leitung des Projekts hatte, in der Realität wie in den beiden mehr (Hickman) oder weniger (Kipphardt)  fiktionalen Arbeiten, der General Leslie R. Groves inne. Die wissenschaftliche Leitung übernahm der Physiker J. Robert Oppenheimer. Ungefähr mit diesem Ausgangssetting, das in beiden Werken gleich ist, hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf…

Das Schauspiel: “In der Sache J. Robert Oppenheimer” von Heinar Kipphardt (1964)

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Im Deutsch-LK lasen wir den Galilei und die Physiker, beides Werke, die sich mit dem Verhältnis von Wissenschaft, Erkenntnis und Verantwortung befassen, nicht jedoch Kipphardts “Oppenheimer”. Sehr schade, denn die Lektüre hat mich durchaus Spaß gemacht. Konzis, ohne Umschweife kommt dieses Stück, das nahezu ausschließlich aus Dialogen besteht, die allesamt in ein und demselben Raum mit nur einer kleinen Gruppe an Personen stattfinden, sehr schnell zum Wesentlichen: Der Frage, ob Oppenheimer aufgrund seiner früheren, vor dem Krieg ausgelebten kommunismusfreundlichen Einstellungen im Nachhinein, nach Beendigung des Manhattan Projekts und des Krieges, die maximale Sicherheitsstufe als Regierungsberater entzogen werden sollte oder nicht.

Der historische Hintergrund ist hier schnell erzählt: Aufgrund des sich ändernden politischen Klimas in den USA in der McCarthy-Ära werden alle nur halbwegs links tickenden Personen in nur halbwegs wichtigen Positionen unter Generalverdacht gestellt. So kommt es, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, der die Innenwelt des hochrangigen wissenschaftlichen Regierungsberaters Oppenheimer ausloten soll.

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Anhand der vielen Tausend realen Protokollseiten präsentiert Kipphardt in seinem Stück gleichsam das Destillat dieser Untersuchung. Bei dem Weg dahin, bei der Darstellung der Untersuchung selbst, nimmt sich der Autor durchaus stellenweise nicht unerhebliche künstlerische Freiheiten.

“In der Sache J. Robert Oppenheimer” ist also ein Hybrid: Zum Teil Dokumentation, zum Teil Theaterstück. Allein das ist spannend und war in den 1960er Jahren höchst innovativ. Kipphardt versteht es meisterhaft, den inhaltlich anspruchsvollen Dialog durch den geschickten Einsatz von Zwischenszenen und überraschenden inhaltlichen Wendungen aufzulockern.

Nicht nur, wer ein gewisses Sonderinteresse an amerikanischer Politik und globaler Sicherheitspolitik mitbringt, wird von diesem Stück bestens unterhalten werden.

Meine Lieblingsstelle:

“LANSDALE: Der Geist der Wissenschaft und die militärischen Sicherheitserfordernisse, das ist ein bisschen, als wenn Vögel und Nashörner miteinander Ball spielen. Jeder findet den anderen unmöglich und jeder hat Recht.

EVANS: Wer sind die Nashörner?

LANSDALE: Das sind sehr nette Tiere.”

 

Der Comic: “The Manhattan Projects” von Jonathan Hickman (2012)

Okay, ich falle mal mit der Tür ins Haus: Ich habe nun schon einige Comicserien gelesen, aber keine war so abgefahren wie Hickmans “Manhattan Projects”.

Und wenn ich sage abgefahren, dann meine ich das positiv: Abgefahren innovativ, abgefahrene abwechslungsreiche Geschichte, abgefahren gute Zeichnungen, abgefahren verrückte Charaktere.

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In Hickmans bei Image erschienenem Versuch, das historische Manhattan-Projekt mit den Mitteln des Comics künstlerisch auszuloten, wählt er ganz bewusst und permanent das Stilmittel der Überzeichnung: Alle Charaktere sind zynisch, böse, nihilistisch, egoistisch – der Untertitel der Serie, “Science. Bad.” passt haargenau. Gleichzeitig wird die Serie fast nur von Genies bevölkert, von Personen, die reale Vorbilder haben, die jedoch – und das ist das Wichtigste – mit einem dicken Augenzwinkern ins maximal Absurde übersteigert werden.

In den “Manhattan Projects” dient die Forschungseinrichtung nur vordergründig dazu, die Atombombe zu entwickeln. In Wirklichkeit verfolgen die Wissenschaftler und Militärs andere Ziele: Mit den Mitteln der Wissenschaft, die dank jeder Menge Alien-Technologie unbegrenzt scheint, wird die Vorherrschaft in der Milchstraße angestrebt. Die äußerst dümmlich dargestellten Regierungen sowohl in West als auch Ost kriegen haben davon keinen blassen Schimmer.

Auch grafisch ist das Werk sehenswert: Pitarra hat einen für meine Begriffe lebhaften, angenehm rauen Strich, der den Figuren stets etwas Dynamisches verleiht. Alles wirkt handgemacht, die Zeichnungen sind geerdet, und – zumindest optisch – scheint es so, als sei weniger mit dem PC gearbeitet worden als in vielen Mainstreamcomics sonst üblich. Es gibt keine gekünstelten Überblendeffekte. Die Farben des Koloristen Jordie Bellaire sind grell und intensiv – genau wie die Geschichte und die Charaktere. Alles ist stimmig, alles greift ineinander.

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Ein trinkender Einstein, ein schizophren-kannibalistischer Oppenheimer, ein Wernher von Braun mit Roboterarm, ein Franklin D. Roosevelt als künstliche Superintelligenz, ein Yuri Gagarin als grenzdebiler Narzisst – wer es, ja, ich wiederhole mich: Wer es maximal abgefahren mag, der sollte sich die Manhattan Projects von Hickman antun. Bereuen wird er es nicht.

Spannend ist dabei auch und vor allem, dass Hickman trotz der höchst unterhaltsamen Absurdität der Serie gründlich recherchiert hat. Man kann hier sehr gut nachvollziehen, auf welche Art und Weise Hickman sich bei der Charakterzeichnung hat inspirieren lassen – so entwickelte er die Idee, den Raketenwissenschaftler von Braun mit einem Roboterarm zu schreiben, aus der Vorlage eines realen Fotos, auf dem von Braun mit einem dick bandagierten Arm zu sehen ist.

Die beiden Werke zeigen eindrucksvoll, wie groß die Bandbreite an Möglichkeiten ist, sich medial ein und demselben Thema zu nähern. Beide Versuche, dem Stoff künstlerisch etwas abzugewinnen, haben mir großen Spaß gemacht.