Neuzugänge: Klassiker en masse

“Ein Klassiker ist ein Buch, das die Leute loben, aber nicht lesen.”
Ernest Hemingway

In den letzten Wochen sind wieder einige Bücher bei mir eingetrudelt. Die meisten habe ich über das öffentliche Bücherregal meines Vertrauens bezogen, direkt bei Pinkus Müller in Münster. Aber auch ein paar andere Umstände führten dazu, dass meine Bibliothek um acht weitere Exemplare der Gattung “Buch” anwachsen durfte. Dieses Mal sind vor allem moderne und weniger moderne Klassiker dabei.  Und von eben jenen kann man bekanntlich nie genug haben.

1. Stefan Zweig – Sternstunden der Menschheit

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Mit Tilman von 54books ertauscht. Stand schon länger auf meiner Liste. Ich muss zugeben, von Zweig bisher noch nichts gelesen zu haben – vielleicht ein noch besserer Einstieg als die Schachnovelle?

2. Heinrich Böll – Der Zug war pünktlich

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Ich mache kein Geheimnis daraus: Bislang konnte ich mich mit Böll nicht anfreunden. “Ansichten eines Clowns” hat mir überhaupt nicht gefallen. Zu viel unterschwellige Moralkeule, irgendwie. Aber ich werde ihm noch eine Chance geben.

3. Immanuel Kant – Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

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Eine Bereicherung für das Sammelgebiet Philosophie. In meiner Dissertation sogar ein mal zitiert. Hier jedoch leider ohne Anmerkungen. Von daher, ganz ehrlich: Werde ich wohl nicht lesen.

4. Vladimir Nabokov – Lolita

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Empfehlung Nummer 1 von einem sehr guten Freund. Finde diesen klassischen Stoff jetzt schon gedanklich anstrengend. Gerade deswegen werde ich es wohl in nicht allzu weiter Ferne lesen.

5. Franz Kafka – Amerika

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Fehlte erschreckenderweise noch. Leider ist Kafka, einer meiner Lieblinge der vordersten Reihen, damit immer noch nicht komplett. Aber immerhin wurde mit diesem Neuzugang in meiner Bibliothek ein weiteres Loch des melancholischen Prager Versicherungsjuristen gestopft.

6. Ernest Hemingway – Fiesta (The Sun Also Rises)

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Das Buch “Literatur!”, das ich im letzten Eintrag über Neuzugänge kurz vorgestellt habe, hat mein Interesse an Hemingway (neu) geweckt. Ich weiß nicht, ob es “Fiesta” sein wird, aber den ein oder anderen Hemingway-Klassiker werde ich lesen. Und dann (wahrscheinlich) loben.

7. Toni Morrison – Jazz

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Empfehlung Nummer 2 des guten Freundes. Da ich treue Seele mein Wort halte, musste es natürlich direkt angeschafft werden. Inhaltlich geht es um das “weiße Gesetz” und das Leid der Schwarzen US-Bevölkerung unter der alltäglichen Rassendiskriminierung in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Spannender Stoff, der sich auch noch mit meinem großen USA-Interesse paart. Ich bin gespannt.

8. Moebius – Die hermetische Garage

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Zum Abschluss ein echter Comic-Klassiker. Wunderschöne Ausgabe übrigens, vielen Dank an CrossCult. Dieses Werk besprechen wir Anfang Februar im Rahmen des Comiclesekreises. Rezension folgt.

Rezension: Schloss Gripsholm

Als ich 2009 in Stockholm war, habe ich es leider nicht gesehen. Daher musste es jetzt endlich mal erlesen werden: Das Schloss Gripsholm, beziehungsweise die gleichnamige Erzählung von Kurt Tucholsky.

schloss gripsholm

Tucholsky veröffentlichte Schloss Gripsholm im Jahre 1931. Dass die Geschichte in etwa zu dieser Zeit spielt, erfährt man bei der Lektüre des Werks jedoch nicht, obwohl die Erzählung hochgradig autobiographisch zu sein scheint und man somit das Verlangen hat, sie zeitlich einzuordnen. Doch genau so, wie man bei der Frage nach einer zeitlichen Dimension – ein Jahr im vorangestellten Briefwechsel zu nennen würde schon reichen – enttäuscht wird, wird man enttäuscht, wenn man sich genauer mit der Entstehungsgeschichte des Werkes befasst: Es ist keine Spur autobiographisch. Und genau das überrascht mich in der Rückschau am meisten.

Doch will ich vorne anfangen. Kurt Tucholsky tritt in Schloss Gripsholm als Kurt Tucholsky auf, der von dem Verleger Ernst Rowohlt beauftragt wird, anstatt der politischen Texte mal eine leichte Sommergeschichte zu Papier zu bringen. Gesagt getan: Kurt fährt mit Lydia, seiner Plattdeutsch schnackenden “Prinzessin”, nach Schweden, um dort in einem Gästezimmer des Schloss Gripsholm einige sommerliche Urlaubswochen zu verbringen. Es entspinnt sich eine Geschichte über Liebe, Freundschaft, Sex, aber auch über Angst und Einsamkeit.

kurt tucholsky

Diese Substantive klingen für sich allein stehend größer, als diese Emotionen in der Erzählung rüber kommen: Leider ist Schloss Gripsholm eben genau das geworden, um das der hier fiktive Rowohlt bat: Eine leichte Sommergeschichte. Mehr nicht. Der Tiefgang ist, ich will nicht sagen, nicht vorhanden, so aber auf jeden Fall schwer zu finden. Zumindest rein inhaltlich.

Sprachlich überzeugt das Werk, wie immer bei Kurt Tucholsky, beinahe auf ganzer Linie. Tucholsky ist in vielerlei Hinsicht ein hochmoderner Autor, der durch eine ganze Palette an stets wechselnden und sich vermischenden Stilen glänzt. Vor allem strotzen seine Sätze nur so vor Metaphorik, wenngleich dieselbe ihrerseits wiederum nur an vereinzelten Stellen eine Güte besitzt, die mich einen Satz anstreichen oder zumindest etwas länger über ihn nachsinnen ließ. Dennoch bin ich überzeugt, dass Tucholsky eine seltene Sprachmächtigkeit aufwies, die nur leider gelegentlich Opfer des von ihm zeitgleich mitgelieferten allzu jovialen Tons wird.

Wer Tucholsky oder Schweden mag, sollte Schloss Gripsholm lesen. Wer bei all dem Schneetreiben da draußen auf eine entspannende Sommerlektüre aus ist und sich von etwas zu verschnörkelter Sprachnutzung nicht abschrecken lässt, sollte ebenfalls zugreifen. Für all die anderen gilt: Finger weg.

Sorry, Kurt!

Nachtrag: Rezension bei 54books

Mein Freund Tilman von 54books hat nun auch eine Rezension von Schloss Gripsholm in den digitalen Raum geworfen und kommt zu einem geringfügig anderen Ergebnis als ich. Gut, dass wir verglichen haben!

Mouse Guard und die Artefaktfalle

Im Medium Comic scheinen Mäuse eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen. Erst Disneys “Mickey Mouse”, dann Spiegelmans “MAUS”…und nun David Petersen, der mit “Mouse Guard” einen Nager-Comic vorlegt, der in den letzten Jahren für Furore sorgte.

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Das Buch selbst ist bereits haptisch ein Leckerbissen. Ich habe die englische Version von “Mouse Guard: Fall 1152” gelesen, die als Hardcover im Verlag TitanBooks erschienen ist. Auf deutsch erscheint Mouse Guard bei CrossCult. Das Buch ist hervorragend gebunden, die Vorsatzseiten sind bereits äußerst liebevoll gestaltet. Die Ausgabe vereint neben den sechs Kapiteln der eigentlichen Geschichte noch einen Anhang mit ebenfalls aufwändig gestalteten Landkarten und Infos aus der Welt von Mouse Guard.

Und diese Welt ist hart. Die Mäuse leben in abgeschotteten, geheimen und autonom organisierten Städten und Dörfern im Wald. Um jedoch von Ort zu Ort zu gelangen, ohne von ihren vielen Feinden überrascht zu werden, haben die Mäuse eine Art städteübergreifende Allianz gegründet: Die Mouse Guard. Im Zentrum der Geschichte stehen drei Vertreter eben jener Wache, die nach und nach einem Komplott auf die Spur kommen, der die Autonomie der Städte und die Freiheit der Mäuse selbst bedroht.

Soviel zur reinen Geschichte, die leider aufgrund des wenig inspirierten Settings und ihrer latenten Vorhersehbarkeit auch gleichzeitig der größte Schwachpunkt des Bandes ist. Denn leider greift auch bei dieser Fantasygeschichte das, was ich als Artefaktfalle bezeichne: Ein einzelner, mit allerhand Mythos und Macht aufgeladener Gegenstand bildet den Mittelpunkt der Story und entscheidet über Sieg oder Niederlage. War diese Idee beim “Herr der Ringe” noch revolutionär, so wirken heutige Fantasywerke, bei denen die Artefaktfalle zuschnappt, für meine Begriffe etwas schwach. Bei Mouse Guard ist es eine mystische Axt, die die Artefaktfalle zuschnappen lässt. Das ist schade, da durch diesen Mangel an erzählerischer Tiefe viel Potential verschenkt wird. Dabei zeigt doch aktuell beispielsweise George R. R. Martin mit “Game of Thrones”, dass brillante Fantasy auch ohne geheiligte und ach-so-übermächtige Artefakte möglich ist.

Mouse Guard The Back Axe

Bei Mouse Guard allerdings gibt es eine Besonderheit: Die Story tritt, auf ganzer Linie, hinter den wahrhaft fulminanten Zeichnungen und der exzellenten Koloration zurück. Das Werk ist optisch so herausragend, dass ich die narrativen Mängel allzu gerne verzeihe. Lettering, Zeichnungen, Panelaufteilung, Perspektive, Licht, Farben, Atmosphäre – hier stimmt grafisch einfach alles. Mir fällt spontan kein Comic ein, der mich grafisch ähnlich stark begeistert hat.

Über die Story sagte ein guter Freund von mir, bereits nach wenigen gelesenen Seiten: “Als die Tiere den Wald verließen meets Herr der Ringe” – und damit hat er definitiv nicht ganz Unrecht. Grafisch jedoch mein bisheriges ganz persönliches Comic-Nonplusultra.

Wer bereit ist, erzählerische Abstriche in Kauf zu nehmen und diesmal weniger auf seinen Verstand, als vielmehr auf seine Augen zu hören (ja, genau, richtig gelesen), der macht mit “Mouse Guard” alles richtig. Ich jedenfalls werde mir den zweiten Band zulegen.