Rezension: Schloss Gripsholm

Als ich 2009 in Stockholm war, habe ich es leider nicht gesehen. Daher musste es jetzt endlich mal erlesen werden: Das Schloss Gripsholm, beziehungsweise die gleichnamige Erzählung von Kurt Tucholsky.

schloss gripsholm

Tucholsky veröffentlichte Schloss Gripsholm im Jahre 1931. Dass die Geschichte in etwa zu dieser Zeit spielt, erfährt man bei der Lektüre des Werks jedoch nicht, obwohl die Erzählung hochgradig autobiographisch zu sein scheint und man somit das Verlangen hat, sie zeitlich einzuordnen. Doch genau so, wie man bei der Frage nach einer zeitlichen Dimension – ein Jahr im vorangestellten Briefwechsel zu nennen würde schon reichen – enttäuscht wird, wird man enttäuscht, wenn man sich genauer mit der Entstehungsgeschichte des Werkes befasst: Es ist keine Spur autobiographisch. Und genau das überrascht mich in der Rückschau am meisten.

Doch will ich vorne anfangen. Kurt Tucholsky tritt in Schloss Gripsholm als Kurt Tucholsky auf, der von dem Verleger Ernst Rowohlt beauftragt wird, anstatt der politischen Texte mal eine leichte Sommergeschichte zu Papier zu bringen. Gesagt getan: Kurt fährt mit Lydia, seiner Plattdeutsch schnackenden “Prinzessin”, nach Schweden, um dort in einem Gästezimmer des Schloss Gripsholm einige sommerliche Urlaubswochen zu verbringen. Es entspinnt sich eine Geschichte über Liebe, Freundschaft, Sex, aber auch über Angst und Einsamkeit.

kurt tucholsky

Diese Substantive klingen für sich allein stehend größer, als diese Emotionen in der Erzählung rüber kommen: Leider ist Schloss Gripsholm eben genau das geworden, um das der hier fiktive Rowohlt bat: Eine leichte Sommergeschichte. Mehr nicht. Der Tiefgang ist, ich will nicht sagen, nicht vorhanden, so aber auf jeden Fall schwer zu finden. Zumindest rein inhaltlich.

Sprachlich überzeugt das Werk, wie immer bei Kurt Tucholsky, beinahe auf ganzer Linie. Tucholsky ist in vielerlei Hinsicht ein hochmoderner Autor, der durch eine ganze Palette an stets wechselnden und sich vermischenden Stilen glänzt. Vor allem strotzen seine Sätze nur so vor Metaphorik, wenngleich dieselbe ihrerseits wiederum nur an vereinzelten Stellen eine Güte besitzt, die mich einen Satz anstreichen oder zumindest etwas länger über ihn nachsinnen ließ. Dennoch bin ich überzeugt, dass Tucholsky eine seltene Sprachmächtigkeit aufwies, die nur leider gelegentlich Opfer des von ihm zeitgleich mitgelieferten allzu jovialen Tons wird.

Wer Tucholsky oder Schweden mag, sollte Schloss Gripsholm lesen. Wer bei all dem Schneetreiben da draußen auf eine entspannende Sommerlektüre aus ist und sich von etwas zu verschnörkelter Sprachnutzung nicht abschrecken lässt, sollte ebenfalls zugreifen. Für all die anderen gilt: Finger weg.

Sorry, Kurt!

Nachtrag: Rezension bei 54books

Mein Freund Tilman von 54books hat nun auch eine Rezension von Schloss Gripsholm in den digitalen Raum geworfen und kommt zu einem geringfügig anderen Ergebnis als ich. Gut, dass wir verglichen haben!