Hinterher ist man immer schlauer. Wer kennt es nicht, das Problem, dass man sich später darüber ärgert, eine Person oder Situation falsch eingeschätzt zu haben? Einschätzen will gelernt sein. Der Mensch als vernunftbegabtes Wesen verfügt – man glaubt es kaum – über die Fähigkeit, im Wirrwarr der Emotionen doch gelegentlich die ein oder andere richtige Entscheidung zu treffen. Und damit wir die Anzahl der richtig getroffenen Entscheidungen erhöhen können, hat der schweizer Wirtschaftspublizist und Schriftsteller Rolf Dobelli ein Buch geschrieben: „Die Kunst des klaren Denkens“, letztes Jahr erschienen im Hanser Verlag.
Dobelli hat es sich zum Ziel gesetzt, in diesem Buch dem psychologischen Phänomen der menschlichen Entscheidungsfindungsprozesse auf den Grund zu gehen. Das klingt akademisch und verkopft.
Und damit sind wir auch schon bei der größten Stärke des Buchs: „Die Kunst des klaren Denkens“ ist tatsächlich so klar und einfach geschrieben, dass tatsächlich jeder Interessierte etwas von der Lektüre mitnehmen kann. Der Autor beschreibt insgesamt 52 Denkfehler, die typisch menschlich sind und somit jedem von uns beizeiten unterlaufen. Dabei nimmt jedes Kapitel, also jeder besprochene Denkfehler, nur wenige Seiten ein und ist darüber hinaus mit einer ansprechenden Illustration verbunden, die das Gesagte humorvoll aufnimmt und teilweise ironisch bricht.
Ein Beispiel: Mein Lieblingsdenkfehler ist der „Confirmation Bias“, also die Neigung, alle neuen Erfahrungen stets in einer Art und Weise zu interpretieren, die den eigenen vorgefassten Annahmen entspricht. Wer die von Dobelli ausgerufene Aufforderung beherzigt, stets die „disconfirming information“ zu suchen, wird es im Alltag und im Job leichter haben. Die Chance, die Dinge objektiver zu sehen, erhöht sich unweigerlich um ein Vielfaches.
Leider kann auch hier eine latente Kritik nicht ausbleiben. Der Autor erläutert in seinen Denkfehler-Betrachtungen so intensiv die Vorzüge der Rationalität, dass auf dem Wege zu einer besseren persönlichen Entscheidungsfindung die Kraft der Emotion und vor allem der Intuition, des sprichwörtlichen Bauchgefühls, ins Hintertreffen geraten. Dennoch ist „Die Kunst des klaren Denkens“ keinesfalls nur etwas für effizienzsteigerungssüchtige Rationalisten, im Gegenteil: Da die besprochenen typischen Denkfehler eine große Bandbreite abdecken, findet sich jeder Leser an der einen oder anderen Stelle sicherlich wieder.
Dobelli hat bereits ein Parallelwerk verfasst: „Die Kunst des klugen Handelns“, in dem weniger die Entscheidungsfindung, als vielmehr die Umsetzung getroffener Entscheidungen im Mittelpunkt steht. Nach der überaus angenehmen Lektüre des erstgenannten Werks werde ich mir sicherlich auch den Folgeband zulegen.