“Die Hölle, das sind die anderen”
– Sartre, Geschlossene Gesellschaft
Anlässlich des kürzlich allseits dank Fleurop euphorisch begangenen Valentinstages habe ich zwei frisch bei Reprodukt erschienene Comics gelesen, die beide die vertrackten Untiefen der Liebe auszuloten versuchen. Simpsons-Schöpfer Matt Groening macht sich ebenso Gedanken über das komplizierteste Gefühl des Menschen wie der junge französische Comicautor Bastien Vivés.
Ist Liebe…
Vivés Büchlein mit dem schlichten Titel “Die Liebe” kommt harmlos daher, hat es aber in sich: Selten habe ich ein Buch gelesen, dass sich der Beziehung zwischen Liebenden derart schwarzhumorig nähert.
Vivés spannt in kurzen Episoden einen Bogen über die verschiedensten Themen, die sich um die Liebe ranken: Beispielsweise die wichtige Frage, ob ein Pärchen einen guten Freund bitten kann, mit der Frau in den Swingerclub zu gehen. Oder die Frage, ob nicht die Nutzung eines vorgefertigten Fragebogens beim ersten Date vieles erleichtern würde. Häufig werden die Fragen aufgeworfen, aber nicht beantwortet – was im Ergebnis auch nicht möglich ist, muss doch jeder selbst seine Erfahrungen mit dem absonderlichen Ding namens Liebe machen. Aber: Fragen schaffen Erkenntnis. Bei seiner Analyse, die insgesamt mehr mit Sex als mit Liebe zu tun hat, zeichnet sich Vivés gelegentlich auch selbst in die Panels, beispielswiese im wunderbar pathosüberladenen Gespräch mit seiner Frau. Dadurch entsteht ein Panorama an Kleinstepisoden, die allesamt einen jeweils anderen Aspekt von Liebe, Sex, Beziehung und Vertrauen thematisieren. Dabei nutzt Vivés einen extrem reduzierten Strich und entwirft nur mit wenigen Details wunderbar dynamische Panels.
Das Beste an Vivés lesenswertem Büchlein steht jedoch direkt am Anfang: Die Widmung, die da lautet: “Für die ganzen Frauen, die mich kaputt gemacht und mit meiner Verzweiflung allein gelassen haben, um ein armseliges und belangloses Leben zu führen, das ich mir heute auf ihrem Facebook-Profil ansehen kann.”
…die Hölle?
Ganz anders Groening: Neben ebenfalls einfach gehaltenen, aber sehr viel cartoonhafteren Zeichnungen lebt Groenings “Liebe ist die Hölle” stark vom Text. Dabei müssen die Hasen Binky, Bongo und Sheba, die durch ihre und unser aller persönliche Hölle – den Alltag – wuseln, als Beispiele für keinesfalls funktionierende Liebesbeziehungen jedweder Form herhalten.
Groening spricht den Leser direkt an und gibt Ratschläge, wie man in der Liebeshölle besteht. Dabei werden die Vor- und Nachteile freier Liebe (Vorteil: “Flüchtige Momente der Ekstase”, Nachteil: “Scheußliche Infektionen”) ebenso angesprochen wie die 22 Stadien des gebrochenen Herzens. Groenings Cartoons stammen aus seiner Reihe “Life in Hell”, die er 1978 startete, und bei “Liebe ist die Hölle” handelt es sich um eine themenbezogene Sammlung daraus. Die meisten Cartoons sind von 1982-1984, und wenngleich ein Thema wie die Liebe scheinbar zeitlos ist, merkt man dem Humor ein ganz klein wenig an, dass er etwa 30 Jahre alt ist. Groenings Cartoons nehmen – auf äußerst gelungene Weise – die klassische Ehe aufs Korn. An dieser Stelle geht Vivés weiter, ist im Humor derber und in den Themen expliziter.
Dennoch ist auch Groenings “Liebe ist die Hölle” unbedingt lesenswert. “Kann die Liebe obsiegen?”, fragt Groening. Die Antwort gibt er selbst: “Aber ja. In manchen Werbespots und in gewissen naiven Comics.”
Fazit: Ja!
Wer hier eine ernste Auseinandersetzung mit dem Thema zwischenmenschlicher Liebesbeziehungen erwartet, liegt komplett daneben. Dafür fangen Vivés und Groening beide all die Absonderlichkeiten ein, die dieses große Thema umgeben, spielen mit Klischees und ironisieren sich wunderbar durch Liebe, Sex und Zärtlichkeiten. Dabei wirkt Groening wie das klassische Original, Vivés wie ein modernes Update. Das Rätsel der Liebe können beide nicht lösen. Zum Glück.
Danke sehr! Habe ich mit großer Heiterkeit gelesen – und bin beruhigt, dass das Rätsel doch ungelöst bleibt 🙂
Danke dir 🙂 Hoffen wir, dass dieses schöne Rätsel nie gelöst wird 🙂