Hilfe! Ein Award!

Wie die Jungfrau zum Kinde kam ich gestern zu meinem ersten Blogger-Award. Nicole, die einen ambitionierten Literaturblog mit dem schönen Namen Urwort betreibt, verlieh mir (ja, mir!) den Best Blog – Award. Dafür zuerst einmal: Vielen Dank! Aber: Was soll ich davon halten?

bestblogaward

Natürlich soll ich mich freuen! Und das tue ich auch. Trotz des – ich sag es mal vorsichtig – latent kitschigen Award-Bildes. Wenngleich ich über die Nominierung recht überrascht bin, da ich mich leider – vor allem aufgrund des chronischen Zeitmangels – bisher immer aus derlei Dingen wie Award-Nominierungen rausgehalten habe. Die knappe Zeit lässt nur wenig Spielraum für die Kommunikation mit anderen Bloggern, was außerordentlich schade ist. Das führt allerdings auch dazu, dass ich mich in der sogenannten “Blogosphäre” nicht besonders gut auskenne. Das ist noch untertrieben: Mir sagen ein paar Blogs etwas, ich kenne quasi die Stars der Branche, weiß aber weder, wie die alle miteinander zusammenhängen, also wer mit wem was wie wo macht und wer mit wem kann, noch welcher Blog gerade angesagt ist oder nicht. Schande über mich!

Fragen schaffen Erkenntnis

Die Awards sind dazu gedacht, bloggophiles (ha, ein Neologismus!) Marketing zu betreiben und Aufmerksamkeit für aufstrebende Sterne am Literaturbloggerhimmel zu generieren und dabei en passant durch die Beantwortung von Fragen mehr über die anderen Blogger zu erfahren. Man soll also den Award nebst personalisiertem Fragenkatalog weiterleiten. Phew, alles Neuland für mich…

Bevor ich aufdecke, wen ich für den “Best Blog”-Award nominiere, zuerst die Beantwortung der von Nicole gestellten Fragen

1.) Wie lange praktizierst Du das Bloggen? & Was motiviert Dich?
Ich blogge seit Ende 2012, also noch nicht allzu lange. Motiviert werde ich vor allem dadurch, beim Schreiben von Rezensionen meine Gedanken zu einem guten (oder nicht so guten) Buch noch einmal Revue passieren zu lassen

2.) Welchen Beruf übst Du aus?
Ich bin Rechtsreferendar am Landgericht Münster. Momentan bereite ich mich auf das 2. juristische Staatsexamen vor, das ich in den ersten beiden Mai-Wochen schreiben werde. Ich hoffe sehr, danach wieder ein klein wenig mehr Zeit für die Bloggerei zu haben.

3.) Hast du Autoren-Vorlieben?
Im Bereich klassischer Literatur ganz klar Franz Kafka und Stefan Zweig (vielleicht gerade, weil beide stilistisch nicht unterschiedlicher sein könnten). Im Bereich zeitgenössischer Werke hat es mir Arnon Grünberg angetan. Bei den Comics bin ich großer Freund von Jiro Taniguchi, Jeff Lemire und Jonathan Hickman.

4.) Erzähle von deinen Lieblings-Blogs – Wem folgst du? Warum?
Oh, Gott – das ist schwer. Wie gesagt: Ich kenne die Blogosphäre ungefähr so gut, wie ich mich mit Mathematik auskenne: Fürs kleine Einmaleins reicht es so gerade. Das war es dann auch. Ich gelobe Besserung! Aber natürlich folge ich dem Blog meines Kumpels Tilman von 54books, ebenso Katharina mit ihrem Kulturgeschwätz. Mit Vorliebe lasse ich mich gelegentlich auch bei Twitter von Blog zu Blog treiben (ich glaube, man nennt das Surfen, in diesem Internet).

5.) Welchen Einfluss hat die Literatur auf dein Leben?
Darüber müsste ich mal ein Essay schreiben, oder Ähnliches – jedenfalls eine sehr weitläufige Frage. In einem Satz: Lesen ist die produktivste Form der Entschleunigung.

6.) Impuls-Antwort erwünscht: Welches Buch macht einen Tag für dich vollkommen?
Ganz impulsig: Stefan Zweigs “Die Welt von Gestern”.

7.) Deine Meinung: Sommerbuch 2014?
Florian Illies’ “1913”…haha! Nein, ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Vielleicht noch denkbar, aber eher nicht als “Sommerbuch” (was ist ein Sommerbuch?): In Bälde erscheint wohl, wie gut unterrichtete Kreise verlautbarten, eine Comicadaption von Remarques “Im Westen nichts Neues”. Passt natürlich zum Thema 100 Jahre WK1 und war sowieso längst überflüssig: Ein großes Werk wie das genannte gehört einfach auch als Comic auf den Markt.

And the Award goes to…

Nun zu meiner Nominierung. Mein Problem bei der Auswahl ist, wie gesagt: Ich kenne keine aufstrebenden Sternchen. Aber da der Award-Titel “Best Blog” heißt, kann ich meine Auswahl mit Fug und Recht vertreten, denn der von mir benannte Blog ist wirklich stark:

Mein “Best Blog”-Award geht an Birgit Böllinger von “Sätze und Schätze”!

Der Fragenkatalog bleibt derselbe (s.o.) – mit einer Zusatzfrage:

8.) Wenn du drei Bücher vor der Apokalypse, die alle anderen Bücher auf dem Planeten zerstört, retten könntest – welche wären es?

Das war’s! Nach bestem Wissen und Gewissen. Hat Spaß gemacht – danke nochmal an Nicole!

Jahresrückblick die Erste: Normans Vergleich

Es musste ja so kommen: Irgendwann geht es los mit den Jahresrückblicken. Herrn Jauch werde ich auch in diesem Jahr sicherlich fernbleiben, aber in der weiten Welt der Literaturblogger gibt es da definitiv das ein oder andere literarische Fazit, das zu lesen sich lohnt. Meins wird nächste Woche erscheinen.

Bis dahin hat Norman Weiß auf seinem empfehlenswerten Blog „Notizhefte“ eine tolle Jahresrückblick-Aktion gestartet: Die literarische, persönliche Lesebilanz verschiedener Blogger wird betrachtet, wobei die Empfehlungen gelungener Bücher im Vordergrund stehen. So entstand eine Gegenüberstellung von 12 kleinen, individuellen Jahresrückblicken, an der auch ich mich selbstverständlich (wie alle anderen unter dem Twitter-Namen) beteiligt habe. Es geht vom obligatorischen Lieblingsbuch 2013 bis hin zu Kinderbüchern.

Das Ganze findet ihr hier. Danke an Norman für die tolle Aktion!

Von Äxten und Büchern

Der gestrige Abend war äußerst lehrreich: Mein guter Freund Tilman von 54books und ich wurden, in Form unseres Projekts Buchguerilla, wegen ein paar Tweets als “klassistische Sexisten” beschimpft. Da es dabei auch und vor allem um die Literatur-Blogosphäre und die Gretchenfrage nach guten und schlechten Büchern ging, bieten die Vorkommnisse ausreichend Grund, das Thema nochmal aufzugreifen.

Alles begann mit vor allem zwei maßgeblichen Tweets, die wir vom Account @Buchguerilla abgeschickt haben. Die Buchguerilla ist seit Beginn bereits vom Titel her ein augenzwinkernd gemeintes Projekt, das sich – in ganz bewusster, ironischer Zuspitzung – als Vorläufer einer Revolution gegen das böse eBook sieht, für echte Bücher und echte, gute Literatur. Dazu erscheinen auf der Seite der Buchguerilla Beiträge, auch von Gastrezensenten, die alle Meinungen zulassen: Pro und kontra eBooks, pro und kontra E- und U-Literatur. Wir wollen nur diskutieren.

Das ist der Kontext. Aus dieser Melanche heraus entstand zunächst folgender Tweet:

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Bereits der Einstieg mit den Worten “Wir wollen eine Welt ohne Menschen, die…” zeigt, dass es sich ganz offensichtlich um einen humorvoll-polemischen Tweet handelt. Leider ist daraus eine Diskussion entstanden, die in einem beleidigenden Blogpost gipfelte, der sich nicht zu schade war, gleich zwei Personen mir nichts, dir nichts mit mehreren “-istisch”-Labels zu versehen. Da mir erstmals in meinen 27 Erdenjahren Sexismus vorgeworfen wurde, verspreche ich, mich in das Thema einzulesen und offen zu sein für zutreffende Kritik, eine mögliche Änderung meiner Ansichten eingeschlossen.

Bis dahin jedoch gehe ich vom sehr viel Naheliegenderen aus: Dass es sich bei der ideologischen Reaktion der besagten Dame um das Paradebeispiel eines confirmation bias handelt.

Interessanter noch ist dagegen schon der 2. Tweet, der andere Stein des Anstoßes:

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Auch bei diesem Tweet sei noch einmal auf den Hintergrund hingewiesen. Wer heutzutage einen oder – wie in unserem Fall – gleich mehrere ambitionierte Buchblogs betreibt und das Wort “Schundliteratur” in den Mund nimmt, kann es nicht ernst meinen. Wir halten es da mit Tucholsky: “Was darf Satire? Alles!”

Doch die oben genannte Dame sieht auch hier ein großes Problem und bezeichnet uns, die Jungs hinter der Buchguerilla, als “klassistisch”. Wir gehören also einer bestimmten “Klasse” an (ich dachte, dieses Denken sei ausgestorben, man spreche höchstens noch von Milieus, aber das ist ein anderes Thema), weil wir – Achtung, anschnallen! – keine Schundliteratur lesen. Umgekehrt heißt dies, das Personen einer niedrigeren Klasse im Mittel weniger dazu in der Lage sind, “gute Literatur” zu lesen. So weit, so absurd.

Doch was ist das eigentlich, Schundliteratur? Eines möge man mir bitte glauben: Als erklärter Freund von Comics und Graphic Novels, der auch mit Vorliebe den ein oder anderen Fantasyroman liest und Spielarten wie ScienceFiction, Horror und SteamPunk zugetan ist, weiß ich sehr wohl, was angebliche Schundliteratur ist. Und wie man sich fühlt, wenn jemand die eigenen Lieblingsbücher als Schundliteratur abtut. Das muss man aushalten. Man muss sich aneinander reiben wagen, will man Funken schlagen.

Da das Internet voll ist von Blogs mit Namen wie “Traumprinzessins Schmökerstübchen (zu weiteren wundervollen Namen gleich mehr), schrieb Tilman einen meiner Meinung nach gelungenen Beitrag zum Thema: Eure Vampire-Romance-kotzt-mich-an. Natürlich kann man Literatur bewerten: Dafür gibt es Kriterien. Es existiert eine ganze Fachdisziplin von Wissenschaftlern, die sich mit Literatur befassen. Das nennt man Literaturwissenschaft. Schöpferisch wertvolle, innovative, sprachlich-ästhetisch gelungene Literatur, und solche Texte, auf die das nicht zutrifft, sind objektiv-kriterial unterscheidbar.

Es gibt immer Ausnahmen, aber im Durschnitt erreicht ein selbstverlegtes eBook mit dem Titel “Die Armee der Gestaltwandler greift an” oder “Zahnarztfrau Tina im Katzenkinderglück” nicht die gleiche Schöpfungshöhe wie Dostojewskis “Spieler” oder Spiegelmans “MAUS”.

Was folgt daraus? Gar nichts! Jeder darf lesen, was er will. Jeder soll seinen Blog betreiben, wie er möchte. Im Zweifel führt Lesen glücklicherweise zu mehr Lesen. Aber: Wegen ein paar zugegebenermaßen leicht provokativer Tweets sollte man die Kirche im Dorf lassen.

Da Kafka, schon zu Lebzeiten ein großer Feind von KatzenKuchenBücherBlogs, heute 130 Jahre alt geworden wäre, schließe ich mit einem wunderbaren Zitat, abfotografiert von meinem Lieblings-T-Shirt:

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