In der hermetischen Garage ist alles möglich

Als Jean Giraud alias Moebius im März 2012 im Alter von 73 Jahren starb, ging weltweit ein Rauschen durch die Comicszene und das Feuilleton. Der Franzose Giraud war einer der bekanntesten und profiliertesten Vertreter des Mediums, der Heerscharen von grafischen Erzählern beeinflusste und es stets vermochte, seinem einzigartigen Stil noch weitere Facetten abzuringen und das Medium Comic damit zu erneuern. Wer mehr über Giraud / Moebius erfahren möchte, dem sei die Folge #5 des Yay! Comics – Podcasts ans Herz gelegt.

Natürlich kommt kein Comiclesekreis, der etwas auf sich hält, an Moebius vorbei. Somit knöpften wir uns beim letzten Treffen endlich ”Die hermetische Garage” vor.

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Das hervorragend verarbeitete, großformatige Hardcover-Buch ist auf deutsch im Jahr 2008 bei CrossCult erschienen. Das Wichtigste bei Moebius sind die Zeichnungen, und damit diese durch eine nicht aus der Feder vom Meister selbst stammende Koloration nicht verwässert werden, blieb der Band in schwarzweiß. Ich werde hier nicht erneut lobpreisen, wie genial Girauds Stil ist. Dass er im Olymp der Zeichner einen Ehrenplatz bekommt, ist wohl unstreitig.

Zur Geschichte, die Moebius in der hermetischen Garage erzählt, könnte man ganze Bibliotheken mit Interpretationsversuchen füllen. Die Kurzfassung: Major Grubert, eine Art Schöpfergott in humanoider Form und stets mit Pickelhaube auf dem länglichen Haupt, erschuf eine eigene, hermetisch verschlossene Welt, die aus drei Ebenen besteht. In diesem Szenario taucht ein alter Lieblingsfeind von Grubert auf, Jerry Cornelius, und will gegen Grubert in den Kampf ziehen. Nebenbei versucht noch eine außerirdische Rasse, die Bakaliten, Major Grubert und Jerry Cornelius gleichermaßen den Garaus zu machen.

Das klingt alles völlig verrückt – und genau so sollte es sein. Giraud legte die hermetische Garage, deren kurze Episoden von 1976-1979 im mittlerweile legendären französischen Comicmagazin “Métal Hurlant” erschienen, bewusst als Experiment an. Dabei wendete er die Technik des “spontanen Zeichnens” an, oder anders gesagt: Er zeichnete drauflos, ohne die geringste Ahnung, was als Nächstes kommt. Bei den meisten Zeichnern würde die inhaltliche Konzeptlosigkeit schnell dazu führen, dass man das Buch gelangweilt aus der Hand legt. Nicht so bei Moebius.

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Moebius versuchte mit jeder neuen Episode Woche für Woche, die Fäden der vorangegangenen Episode wiederaufzunehmen und alle alten Ideen, Vorkommnisse, Personen und Handlungen zusammenzuführen. Da er dabei spontan vorging, legte er Ausgabe für Ausgabe immer neue Fallstricke aus. Das Ganze liest sich dabei besser, als sich die Entstehung des Werks methodisch anhört: Wer wirklich abschaltet und das Comic einfach auf sich wirken lässt, ohne zu versuchen, die “Garage” zu verstehen, der nimmt das Medium Comic auf eine ganz eigene, besondere Art und Weise wahr. Moebius streift nicht nur die Oberfläche der medialen Metaebene, er tanzt auf ihr mit traumwandlerischer Sicherheit, lotet sie zeichnerisch und narrativ aus, ohne zu stolpern.

Anfangs dachte ich, das Werk hieße “hermeneutische Garage”. Und genau mit diesem Paradoxon spielt Moebius: Man kann die hermetische Garage nicht verstehen. Wer es versucht, ist zum Scheitern verurteilt. Im Lesekreis haben wir gerätselt, welche Drogen Moebius beim Zeichnen eingeworfen hatte. Doch das ist unerheblich, denn auch ohne bewusstseinserweiternde Substanzen ist die Lektüre der hermetischen Garage lohnend. Wenn man sich darauf einlässt.

Das Comic hat mich ratlos, aber zufrieden zurückgelassen. Das ist schon viel wert.

Autoren zum Erhören

“In my mind and in my car
We can’t rewind we’ve gone too far
Pictures came and broke your heart
Put the blame on VTR”
The Buggles – Video Killed The Radio Star

Es gibt klassische Autoren, die meinem Radar zwar nicht vollends entgehen, die ich jedoch sehr wahrscheinlich so schnell nicht lesen werde. Dass mag einerseits daran liegen, dass diese Autoren keine Genres bedient haben, die mir zusagen, andererseits jedoch ist der Grund häufig schlicht: Unwissen meinerseits. Gepaart mit einer gewissen Trägheit, auch mir weniger bekannte Autoren aktiv zu entdecken bzw. – oft genug – auszugraben.

Wie schön wäre es da, wenn man über diese Autoren in entspannter Form ganz komprimiert eine Menge Wissenswerte erfahren könnte. Wie nebenbei, und zwar so, dass es auch noch wirklich Spaß macht. Ich kann den Konjunktiv weglassen: Genau so etwas gibt es, und das sicherlich auch schon viel länger als mir bewusst war.

radiowissen

Die Podcasts “radioWissen” von Bayern 2 und “ZeitZeichen” vom NDR präsentieren in ihren regelmäßig erscheinenden Folgen immer wieder großartige Autorenporträts von bekannten und unbekannteren Künstlern. Es gibt mehrere Podcast-Reihen, die das leisten. Aber die beiden vorgenannten gefallen mir mit Abstand am besten.

Dank “radioWissen” werde ich mich zukünftig mit Georg Christoph Lichtenberg und Virginia Woolf auseinander setzen. Die beiden Folgen haben definitiv mein Interesse an Leben und Werk der Autoren geweckt. Ebenfalls bei “radioWissen” sind in der letzten Zeit hörenswerte Folgen erschienen über zumindest mir etwas näher liegende Autoren wie Jonathan Swift, Frank Wedekind, Daniel Defoe und Jeremias Gotthelf.

zeitzeichen

“ZeitZeichen” ist für Vieles gut, deckt das Themenspektrum, genau wie bei radioWissen, doch eine große Vielzahl an interessanten historischen und politischen Ereignissen sowie herausragenden Persönlichkeiten ab. “ZeitZeichen” brachte mir zuletzt vor allem Christoph Martin Wieland und Stendhal näher.

Ich kann hier nur eine uneingeschränkte Reinhör-Empfehlung abgeben. Schmeißt euren iPod an und legt los. Es lohnt sich.

Und das Beste: Ein Ende dieser höchst unterhaltsamen Alternative zu Dschungelcamp und Co ist nicht in Sicht.