Medialer Mix: Drei Mal “Game of Thrones”

“Das Lied von Eis und Feuer” oder “Game of Thrones” (was beides den gleichen Stoff betrifft, um direkt mal das erste Missverständnis auszuräumen) ist momentan in aller Munde.

Grund genug für mich, mir einmal alle drei Spielarten dieses grandiosen Fantasy-Epos von George R. R. Martin (GRRM) genauer anzuschauen. Dabei soll es weniger um den Inhalt gehen: Vor allem um Neulingen in Martins Welt nichts wegzunehmen, aber auch, da die meisten ohnehin schon eingefleischte Fans sein dürften. Vielmehr ist interessant, dass der selbe Stoff in drei verschiedenen Medien – Buch, Comic und Film – behandelt wird. Und das mit zeitlichen Überschneidungen, während bei dem Grundwerk, also den Romanen, noch weitere Bände in der Mache sind.

Das Buch: “Das Lied von Eis und Feuer”, erster Band erschienen 1996

A GAME OF THRONES new HC

GRRM begann mit dem Verfassen von “Das Lied von Eis und Feuer”, dessen erster Band “Game of Thrones” lautet, im Jahre 1991. 22 Jahre später gehört das Epos zu den unbestrittenen Genremeisterwerken, dessen Bände regelmäßig die Bestsellerlisten dies- und jenseits des Atlantiks anführen und das in eine höchst erfolgreiche TV-Serie überführt wurde, für die vor Kurzem die 4. Staffel in Auftrag gegeben wurde.

Die Bücher sind meiner Meinung nach deshalb so lesenswert, weil sie etwas schaffen, das es in dieser Güte nur ganz selten gibt: Charaktere, die weder eindeutig zum “Guten” oder “Bösen” zu rechnen sind (jedenfalls in den meisten Fällen), sondern die sich schlicht und ergreifend nachvollziehbar im Rahmen des Plots bewegen. Mit beeindruckender Zuverlässigkeit schafft es Martin dadurch, dass der Leser immer wieder überrascht wird – man kann schon fast vorhersagen, dass etwas gerade so geschehen wird, wie man es auf keinen Fall erwartet. Und selbst dann kommt es anders, ohne jemals künstlich oder allzu gewollt zu wirken. Niemand bei “A Song of Ice and Fire” (ASOIAF) ist sicher, jeder kann sterben, und GRRM zelebriert es gar genüsslich, regelmäßig seine Hauptcharaktere im wahrsten Sinne des Wortes einen Kopf kürzer zu machen. Wer denkt, dass diese dann in einer Art billigfantasyartiger Erweckungszeremonie 30 Seiten später wieder auftauchen, wird (zum Glück) enttäuscht.

Besonders interessant an der Reihe, die Nerds wie selbsternannte Hochkulturfeuilletonisten gleichermaßen erfreut, ist die Erzählstruktur: Jedes Kapitel wird aus der Sicht eines Point-Of-View-Charakters erzählt. Das bedeutet, dass alle Informationen, die der Leser erfährt, stets durch die Augen eines oder mehrerer Charaktere gefiltert sind, sodass es keine Sicherheiten gibt. Ereignisse, die als sicher angenommen wurden, weil jemandem davon erzählt wurde, können durch eine spätere, dann wahre Erkenntnis der Charaktere wieder völlig negiert werden. Nichts ist sicher, alles kann passieren, jeder kann sterben. Das macht den Reiz der Bücher aus, die mit Abstand das spannendste und detailreichste Epos darstellen, das ich bisher gelesen habe.

Die Serie: HBOs “Game of Thrones”, Staffel 1 erschienen 2011

Game_of_Thrones_title_card

GRRM verfügte bereits bei Beginn seiner Arbeit an ASOIAF über Erfahrungen im Bereich des Fernsehens, unter anderem durch seine Mitarbeit an “Twilight Zone”. Daher lehnte er es von Anfang an ab, sein Epos in einem oder mehreren Filmen verarbeiten zu lassen. Jeder einzelne der Bände, von denen bisher fünf erschienen sind, ist in etwa so umfangreich wie der “Herr der Ringe”, sodass ein Film oder selbst eine Trilogie dem Stoff keinesfalls gerecht werden würden. In einem Interview sagte GRRM zu den dutzenden Anfragen bezüglich eines Kinofilms einmal: “’No’ is the sexiest word in the english language.” Gut, dass er hart geblieben ist. Nur eine Serie im Umfang von Game of Thrones, entwickelt von einem hochprofessionellen Publisher wie HBO, die keine Kosten und Mühen scheuen und Raum für Charakterentwicklung lassen, notfalls auch über einzelne Staffeln hinweg, kann den Geist der Vorlage einfangen.

Und das gelingt der Serie hervorragend: Der Spirit der Bücher wird eingefangen. Man fühlt sich gleich wieder heimisch in Westeros, der mittelalterlichen Welt, in der alles spielt. Und das, obwohl es einige nicht unerhebliche Veränderungen zur Vorlage gibt: Manche Charaktere werden neu eingeführt, die es im Buch nicht gibt, viele andere werden weggelassen. Das ist größtenteils sicherlich auch notwendig, da “Das Lied von Eis und Feuer” mittlerweile über 1000 Charaktere aufweist. Allerdings entsteht dadurch eine Art Domino-Effekt: Jede inhaltliche Veränderung der TV-Serie zieht zwingend andere Auswirkungen auf den Plot nach sich, sodass Serie und Vorlage notwendigerweise immer weiter auseinanderdriften. Bisher tut dies der Serie aber noch keinen Abbruch.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Frage, wer eigentlich wen beeinflusst: Natürlich bilden die Bücher die Vorlage für die Serie, aber da Martins Werk noch nicht abgeschlossen ist, könnten noch so subtile Teilbereiche der hoch erfolgreichen Serie – inhaltliche Veränderungen, Charakterzeichnungen, Dialoge und Ähnliches – Martin beim Schreiben der noch kommenden zwei Bände beeinflussen. Verständlicherweise graut es Martin auch und vor allem davor, mit dem nächsten Buch nicht fertig zu sein, bevor die Serie inhaltlich zu den Büchern aufgeschlossen hat. Und da Martin leider Gottes ein extrem langsamer Schreiberling ist, ist diese Option durchaus realistisch.

Das Comic: „Game of Thrones – The Graphic Novel”, Bantam 2012

GoT-GraNo

Comics zählen zu Martins Lieblingslektüre, wie er in verschiedenen Interviews betonte. So verwundert es nicht, dass aus Martins Opus Magnum kurzerhand auch eine monatlich erscheinende Comicserie gemacht wurde. Leider muss ich hier sagen: Anfangs war ich mehr als skeptisch. Ich habe das Teil durchgeblättert und sah Catelyn, einen meiner Lieblingscharaktere, als anorexes Magermodel gezeichnet. Zudem weisen die Augen der Charaktere allesamt etwas Mangahaftes auf, sprich andeutungsweise große Augen und Stupsnäschen. Okay, vielleicht werde ich dem Zeichner Tommy Patterson damit nicht gerecht. Aber mein subjektiver Eindruck war anfangs höchst negativ.

Aber: “The proof of the pudding is in the eating”. Daher kaufte ich mir die Graphic Novel dennoch, auch da die Hardcover-Ausgabe des Bantam Verlags im Gegensatz zur deutschsprachigen Publikation hervorragend verarbeitet zu sein schien. Und siehe da: Aufgrund des enormen Detailreichtums der Zeichnungen und aufgrund der grandiosen Kolorierung fällt einem die Eingewöhnung an Pattersons Zeichenstil dann doch relativ leicht.

Die Übertragung des Stoffs in das nunmehr dritte Medium – Comic – interessierte mich vor allem, sodass ich ohnehin primär diesem Umstand Gewicht beimaß. Ich wurde nicht enttäuscht: Der Szenarist Daniel Abraham macht einen sehr guten Job und schafft es, ein gigantisches Epos wie ASOIAF so in die Comicform zu übertragen, dass genau das geschieht, was das Medium Comic stark macht: Die Informationen werden primär durch die Bildfolge überbracht, Text gibt es nur für Dialoge und ansonsten nur in aller Sparsamkeit. Beides, Text und Bild, sind in der GoT-Graphic Novel sehr lesenswert verwoben, sodass man als Fan auf keinen Fall enttäuscht wird.

GRRM arbeitet eng mit Abraham und Patterson zusammen. Dabei ergriff er die Gelegenheit, die Aspekte der TV-Serie, die ihm nicht gefallen haben, in dem anderen grafischen Medium auszubügeln: Wie man im Dokumaterial des 1. Bandes erfährt, wies GRRM den Zeichner Patterson beispielsweise an, den Eisernen Thron – Objekt der Begierde aller am Spiel der Throne Beteiligten – ganz anders darzustellen als in der Serie.

Somit scheint am Ende der Comic, auch aufgrund des Wegfalls der finanziellen und zeitlichen Beschränkungen einer TV-Serie, also aufgrund der dem Medium Comic ureigenen unbegrenzten Möglichkeiten, dem Original weitaus näher zu kommen als die TV-Adaption.

Was egal ist, denn: Alle drei Spielarten des epischen Stoffs machen großen Spaß. Gönnt es Euch!