Viele Literaturblogs haben sie: Die Kategorie “Neuzugänge”. Ich gebe zu, dass auch ich gerne in den bibliophilen Neuanschaffungen anderer Blogger, Literaten, Sammler und anderen Buchverliebten stöbere.
Leider jedoch heißt es bei vielen Literaturblogs in den Neuzugängen häufig: Masse statt Klasse. Die teilweise unscheinbaren, aber umso erwähnenswerteren Bücherschätze gehen in der Vielzahl der Neuerwerbungen unter.
All die Neuzugänge, die auf den verschiedensten Wegen ihren Platz in meiner Bibliothek gefunden haben (und sicher auch größtenteils sehr schön sind), müssen sich gedulden.
Denn ab sofort startet meine Neuzugänge-Kategorie – und zwar garantiert nur mit echten Perlen aus dem Büchermeer.
Heute mit frischem bibliophilem Lesestoff von Mark Twain, Charles Bukowski und Edward Munch!
NBOTB #1
I. Charles Bukowski – “Der Mann mit der Ledertasche”
Da mein Vater (!) mir vor Jahren Charles Bukowski empfohlen hat, zögerte ich nicht lange, als es bei der Büchergilde diese hochklassige Ausgabe gab. Herr Bukowski an sich scheint ein Autor für die weniger Zartbesaiteten zu sein, gesellt sich zu seinem Textfluss doch vor allem das Fließen diverser Körperflüssigkeiten. Dennoch ist Bukowski längst kein Geheimtipp mehr und nicht nur Kult: Seine Darstellungen des “einfachen Mannes von der Straße” sind klischeeübergreifend und atmosphärisch-hintersinnig. Bukowski weiß wovon er spricht, hat er doch selber alle denkbaren Höhen und Tiefen des Lebens mitgemacht – und darüber geschrieben.
Im “Mann mit der Ledertasche” geht es um einen typischen Bukowski-Typ: Postbote, Trinker, sexuell frustriert. Und ganz sicher nicht gewillt, sich unterzuordnen oder gar sich zu ändern.
Das Buch ist hochwertig in Leinen gebunden und – das Beste daran – illustriert, sowohl innen als auch auf dem Leinencover und dem Schutzumschlag. Die Illustrationen machen das, was der Text (häufig) tut: Den Geschlechtsakt darstellen. Wer damit nicht klarkommt, sollte es nicht lesen. Meiner Meinung nach verbindet sich der schroffe, grelle Stil des Illustrators Helge Leiberg wunderbar mit der Schreibweise von Herrn Bukowski.
Ein wunderschönes illustriertes Buch für literarisch Unangepasste.
II. Jean Selz – “E. Munch”
Vor kurzem habe ich die grandiose Edvard Munch-Biographie von Steffen Kverneland mit Genuss gelesen und rezensiert. Als dann hier im schönen Münster Bücherflohmarkt war, hielt ich Ausschau nach mehr von und über den großen Vorreiter des Expressionismus. Manchmal hat man dann doch Glück: Ich wurde fündig und konnte genau das Buch kaufen, das ich erhofft habe: Eine Biographie über Munch, die – ähnlich wie bei Kverneland, nur nicht in Comicform – einen informativen Text über Munch mit dessen Bildern verknüpft und Herrn Munch anhand seiner Werke erklärt.
Dabei geht es für meine Begriffe etwas zu sehr um die kunsthistorisch-fachliche Perspektive und weniger um die Persönlichkeit Munchs und um seine Zeit. Dies wird jedoch dem Umstand geschuldet sein, dass Selz’ Werk in einer Reihe erschienen ist: Meister der modernen Kunst des Südwest-Verlags München.
Es versteht sich von selbst, dass ich nun – die Reihe einmal begonnen – alle Bücher daraus haben muss…
III. Mark Twain – “Die Abenteuer des Huckleberry Finn”
„All modern American literature comes from one book by Mark Twain called Huckleberry Finn.“
– Ernest Hemingway
Über diesen Fund, auf dem gleichen oben genannten Flohmarkt, habe ich mich gefreut wie ein Schneekönig und tue es noch immer. Nicht nur, weil ich damals im Englisch-LK meine Seminararbeit über genau dieses Buch geschrieben habe. Sondern auch, weil es einfach seit Jahren eines meiner absoluten Lieblingswerke der amerikanischen, ach was, der Literatur überhaupt darstellt.
Die Geschichte dürfte jedem bekannt sein. Wer es nicht gelesen hat, hole dies bitte zu gestern nach (Huck Finn ist keine Empfehlung, sondern ein Muss). Das Grandiose an diesem Werk: Es ist wirklich die “ultimative Ausgabe” (vielleicht mit Ausnahme einer unbezahlbaren, von Herrn Twain handsignierten Erstausgabe): Die Geschichte, übersetzt von Friedhelm Rathjen, einem der besseren Huck Finn-Übersetzer (es gibt auch ganz und gar schreckliche, die zum Beispiel dem Südstaaten-Sklaven Jim dann einen bayerischen Akzent andichten, widerwärtig), ist durchgehend illustriert und vor allem annotiert.
Hier macht der Herausgeber Michael Patrick Hearn einen wirklich guten Job: Hätte ich einen derartigen Fundus an Primär-, Sekundär, Tertiär- und sonstwas für Quellen rund ums Thema Huck Finn, Mark Twain und Co im Rahmen meiner Seminararbeit ausgewertet, wäre diese sicher noch ein paar Punkte besser ausgefallen. Das liegt sicher nicht nur an der bereits 155 Seiten starken Werkeinführung. Mit anderen Worten: Die Kommentierung Hearns, die elegant und typographisch dezent abgesetzt neben dem Haupttext steht, lässt wirklich keinerlei Fragen offen.
Neu kostet das Ding 49 €. Der anscheinend nicht allzu informierte Buchhändler beim Flohmarkt wollte für dieses – neuwertige – Buch 20 € haben. Ich hab ihn dann schamlos auf 15 € drücken können, was meine ohnehin schon gute Stimmung in fürstliche Höhen schraubte.
Fazit: Ein Must-Have für Twain-Fans und alle anderen Liebhaber amerikanischer Literatur.
Als Comic-Liebhaber empfehle ich dir natürlich noch „Huck Finn. Die Graphic Novel“ von Olivia Vieweg, die die Geschichte in die Gegenwart verlegt und Huck nicht den Mississippi, sondern die Saale befahren lässt.
Und Bukowski ist sowieso ein Muss! 🙂
Danke dir! Frau Viewegs Huck liegt bei mir auf dem Bücherstapel, nächstes Projekt nach Habibi.